Dreieichenhain

Bearbeitet von Wolfgang Fritzsche, überarbeitet von Daniel Ristau [Kopie intern]  
Landkreis
Offenbach
Topografische Karten
KDR 100, TK25 1900 ff.
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Basisdaten

Juden belegt seit

1421

Lage

63303 Dreieich, Ortsteil Dreieichenhain, Fahrgasse 49

Rabbinat

Offenbach

erhalten

ja

Gedenktafel vorhanden

ja

Als Kulturdenkmal erfasst

Geschichte

Die Siedlung entwickelte sich im Schatten der im 11. Jahrhundert erbauten Turmburg, der Burg Hayn, und wurde 1256 erstmals erwähnt. 1418 gelangte sie an die Grafen von Isenburg und fiel 1816 an das Großherzogtum Hessen.

Erste Hinweise auf Juden im Hayn, dem heutigen Dreieichenhain, stammen von Steuerlisten aus dem Jahr 1421. 1439 wurden Gottschalk und Seligmann namentlich genannt.1 Anfang des 18. Jahrhunderts waren fünf Schutzjuden in der Stadt ansässig. Sie gehörten zeitweise zur Gemeinde Langen.

Wann sich eine eigenständige Gemeinde gegründet hat, ist heute nicht mehr bekannt. Zu ihr zählten auch die in Offenthal und Götzenhain lebenden Juden. 1861 lebten 32 Juden in Dreieichenhain, 1890 waren es 40, womit der höchste Stand erreicht war. Sie waren überwiegend als Textil- und Viehhändler und Metzger tätig. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröffneten einige Geschäfte im Ort, darunter auch das Schuhgeschäft Strauß. Die Zahl der jüdischen Einwohner sank auf 28 im Jahre 1933 und 18 in 1935.2 Ihre Berufe wurden mit Metzger, Textilkaufmann, Viehhändler, Schuhhändler und kaufmännischer Angestellter angegeben.3 In den 1920er Jahren, nachdem die Zahl jüdischer Einwohner schon deutlich zurückgegangen war, wurde Dreieichenhain in die Gemeinde Offenbach integriert.

Während der Novemberpogrome wurden auch in Dreieichenhain private Wohnungen überfallen und ihre jüdischen Bewohner misshandelt. Nur ein Jahr später verließ der letzte Jude die Stadt.

Mindestens elf jüdische Menschen aus Dreieichenhain wurden im Holocaust ermordet.4

Seit 2006 werden in Dreieichenhain Stolpersteine verlegt.

Statistik

  • Dreieichenhain
  • 1825 25 Personen
  • 1861 32 Personen
  • 1871 27 Personen
  • 1890 40 Personen
  • 1900 25 Personen
  • 1910 102 Personen
  • 1925 92 Personen
  • 1933 28 Personen
  • 1935 18 Personen
  • 1939 1 Person
  • Götzenhain
  • 1825 24 Personen
  • 1871 13 Personen
  • 1900 7 Personen
  • Offenthal
  • 1825 5 Personen
  • 1871 1 Person

Quellenangabe Statistik

Gempp-Friedrich, 2025, Dreieichenhain, S. 530.

Betsaal / Synagoge

Ein eigenständiges Synagogengebäude gab es in Dreieichenhain nicht. Die Gemeinde traf sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts bis 1938 in einem Privathaus in der späteren Fahrgasse 49. An Festen und hohen Feiertage besuchte man den Gottesdienst in Sprendlingen.5

Das Haus war ein zweigeschossiges, giebelständiges Fachwerkhaus mit Krüppelwalmdach, dessen Obergeschoss leicht vorkragt. Der Zugang zum Betsaal erfolgte über den seitlich gelegenen Hof.6

Das Anwesen wurde in der Pogromnacht nicht zerstört. Die geringfügig enthaltene Einrichtung, einige alte Bänke und ein altes Stehpult, wurde allerdings von den Nazis entfernt. Beim Verkauf des Grundstücks waren keine Kultgegenstände mehr vorhanden und es gab niemanden, der sich an solche erinnern konnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden zumindest Teile davon in die Synagoge nach Offenbach verbracht. Die Hofreite ging 1939 für 6.750 Reichsmark an Herrn Georg Philipp Burk aus Götzenhain über, als Rückerstattung wurden 1952/53 weitere 4.300 DM gezahlt.7

Heute befindet sich an dem Gebäude eine Tafel mit der Inschrift „Juden sind im Hain schon seit 1428 ansässig. Ein Betsaal und eine Schule entstanden in diesem Gebäude im Jahr 1714. Im Kellergeschoss befand sich ein Ritualbad. Von 1909 bis1911 war im Hinterhaus das erste Heimatmuseum untergebracht.“

Weitere Einrichtungen

Mikwe

Nach Thea Altaras soll sich in dem Haus Fahrgasse 49 auch eine Mikwe befunden haben.8 Andere halten dies für nicht bewiesen.9

Schule

Nach Thea Altaras befand sich in dem Haus Fahrgasse 49 auch eine Schule.10

Friedhof

Bis 1874 gehörte die Gemeinde in Dreieichenhain dem Friedhofsverband Offenbach an. Als dort der neue Friedhof angelegt wurde, bat sie um die Zuteilung eines Geländestückes, um darauf einen eigenen Begräbnisplatz anlegen zu können. Nach Erteilung der Erlaubnis und unentgeltliche Überlassung des Geländes durch die bürgerliche Gemeinde wurde der Friedhof 1875 angelegt und von einer Mauer umgeben. Dort fanden auch die Verstorbenen aus Götzenhain und Offenthal ihre letzte Ruhe. Die erste Bestattung fand 1878 statt, die letzte im Jahr 1936.11 Insgesamt finden sich 25 Grabstätten. Im Verlauf des sogenannten Dritten Reiches kam es zu Schändungen. Anfang 1942 kam das Grundstück in den Besitz der bürgerlichen Gemeinde. Der Kaufpreis betrug rund 240 Mark, was erheblich unter dem vom Finanzamt festgestellten Einheitspreis von 610 Reichsmark lag.12

1991 ließ die Stadt, finanziert aus Spenden und einem kommunalen Zuschuss, ein neues Tor anlegen und an der Friedhofsmauer eine kleine Informationstafel anbringen.

Nachweise

Fußnoten

  1. Hörr, 2005, S. 290
  2. Hörr, 2005, S. 291
  3. HHStAW 518, 1362
  4. Schneider, 2005, S. 285
  5. Schneider, 2005, S. 279
  6. Altaras, 2007, S. 359
  7. HHStAW 518, 1362
  8. Altaras, 2007, S. 359
  9. Nies, 1990, S. 62
  10. Altaras, 2007, S. 359
  11. Hörr, 2005, S. 289
  12. Hörr, 2005, S. 294

Weblinks

Quellen

Literatur

Abbildung vorhanden

(in Bearbeitung)

Indizes

Nachnutzung

Rechtehinweise

Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen, CC BY-SA 4.0
Abbildungen: siehe Angaben beim jeweiligen Digitalisat

Zitierweise

Empfohlene Zitierweise

„Dreieichenhain“, in: Synagogen in Hessen <https://lagis.hessen.de/de/orte/synagogen-in-hessen/alle-eintraege/119_dreieichenhain> (aufgerufen am 25.11.2025)

Kurzform der URL für Druckwerke

https://lagis.hessen.de/resolve/de/syn/119

Der Standort der Synagoge von Dreieichenhain im modernen Orthofoto (Bildmitte)