Grüsen

Die Lage von Grüsen im Orthofoto
Siedlung
Ortstyp
Dorf
Lagebezug
12 km südöstlich von Frankenberg (Eder)
Lage und Verkehrslage
Kleines Dorf mit einfachem Grundriss am Schweinfe-Bach im Nordosten des Burgwaldes. Kirche in zentraler Lage. An der Verbindungsstraße L 3073 (Gemünden-Frankenberg bzw. Haina)
Ersterwähnung
vor 775
Historische Namensformen
- Grosiun, in (vor 775) [Abschrift des 12. Jahrhunderts Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld 1,1, Nr. 38 (2), Breviarium sancti Lulli, S. 18]
- Gruose bzw. Hruose (1057) [Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld 1,1, S. 183-186, Nr. 102; mit z.T. abweichenden Lesarten: UB Mainz 1, S. 189-191, Nr. 299]
- Grusa, de (1201) [Klosterarchive 5: Kloster Haina, Band 1, Nr. 6]
- Grůsin, in (1211/1216) [Klosterarchive 4: Die oberhessischen Klöster 2 S. 257, Nr. 545 = Klosterarchive 5: Kloster Haina, Band 1, Nr. 10]
- Grusen, in (1223) [Klosterarchive 5: Kloster Haina, Band 1, S. 29, Nr. 25]
- Grůse, in (1276) [Klosterarchive 5: Kloster Haina, Band 1, S. 319, Nr. 643]
- Grůsen (1577) [HStAM Bestand S Nr. 40, fol. 163-165]
- Grüsen (1708/10) [Schleenstein, Landesaufnahme, Karte Nr. 17]
Bezeichnung der Siedlung
- villa (1240/50)
- Dorf (1577)
Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung
Umlegung der Flur
1914/15
Koordinaten
Gauß-Krüger: 3496601, 5651775
UTM: 32 U 496528 5649954
WGS84: 51.001153° N, 8.950522° O
Statistik
Ortskennziffer
635012030
Flächennutzungsstatistik
- 1885 (Hektar): 368, davon 228 Acker (= 61.96 %), 39 Wiesen (= 10.60 %), 0 Holzungen
- 1961 (Hektar): 383, davon 44 Wald (= 11.49 %)
Einwohnerstatistik
- 1577: 20 Hausgesesse
- 1747: 19 Haushaltungen
- 1885: 328, davon 273 evangelisch (= 83.23 %), 0 katholisch, 55 Juden (= 16.77 %)
- 1961: 336, davon 299 evangelisch (= 88.99 %), 37 katholisch (= 11.01 %)
Diagramme
Verfassung
Verwaltungsbezirk
- Vor 775: in pago Hassorum
- Um 1223-1285: Vogtei Grüsen
- 1240/50: Gericht Bulenstrut
- 1346/55: wird das Gericht zu Grüsen gehalten
- 1354: Erzstift Mainz, Gericht Bulenstrut (direkt dem Erzbischof unterstellt)
- 1464: Kloster Haina, Gericht Bulenstrut
- 1530: Gericht Bulenstrut
- 1577: Landgrafschaft Hessen-Marburg, Amt Rosenthal
- 1604: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Amt Rosenthal
- 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Oberhessen, Amt Rosenthal
- 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Oberhessen, Amt Rosenthal
- 1807-1813: Königreich Westphalen, Werradépartement, Distrikt Marburg, Kanton Gemünden
- 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Oberhessen, Amt Rosenthal
- 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Frankenberg
- 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
- 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Frankenberg
- 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Frankenberg
- 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Frankenberg
- 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Frankenberg
- 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Waldeck-Frankenberg
Altkreis
Frankenberg
Gemeindeentwicklung
Seit dem 31.12.1971 gehört Grüsen als Stadtteil zur Stadtgemeinde Gemünden (Wohra).
Gericht
- 1821: Justizamt Rosenthal
- 1867: Amtsgericht Rosenthal
- 1932: Amtsgericht Jesberg
- 1933: Amtsgericht Gemünden
- 1945: Amtsgericht Kirchhain [Zweigstelle Gemünden (Wohra)]
- 1973: Amtsgericht Frankenberg
Herrschaft
- Ursprünglich zum Kloster Hersfeld gehörig, verzichtet der Mainzer Erzbischof 1057 auf die Rechtsansprüche seiner Kirche in Grüsen. Die um 1223 nachweisbare Vogtei Grüsen ist ein hersfeldisches Lehen der Grafen von Ziegenhain, das diese wiederum an Niederadlige als Lehen weitergeben. 1301 verkauft Graf Gottfried von Ziegenhain dem Kloster Haina die Vogtei Grüsen mit Zustimmung des Abtes von Hersfeld (Klosterarchive 6: Kloster Haina, Bd. 2,1, S. 3-4, Nr. 2, 3). Der Mainzer Erzbischof reklamiert im 14. Jahrhundert die Gerichtshoheit, Grüsen ist zeitweise Gerichtssitz in der Bulenstrut. Bis zur Reformation und der Umwandlung Hainas in ein Hospital hielt sich die eng an Mainz angelehnte Herrschaft des Klosters in Grüsen. Die Tatsache, dass Grüsen 1464 weder bei der Versetzung zahlreicher Städte durch den Mainzer Erzbischof an den Landgrafen noch bei dem unmittelbar darauf erfolgten Verkauf des Gerichts Bulenstrut an das Kloster Haina explizit genannt wird, zeigt den Sonderstatus des Ortes an.
Besitz
Grundherrschaft und Grundbesitzer
- Vor 775 erwirbt Erzbischof Lull von Mainz von freien Leuten für das Kloster Hersfeld in Treysa, Grüsen und Wohra insgesamt 13 Hufen und 12 Mansen.
- 1211/1216 erwirbt Kloster Haina im Tausch mit dem Stift Wetter ein Gut in Grüsen, das eine Rente von 4 Schilling bringt. In der Folge kann das Kloster seinen Besitz vermehren. 1276 bestätigt die Gräfin und Graf von Ziegenhain dem Kloster Haina den Besitz seiner durch Kauf, Tausch, Vermächtnis oder andere Art erworbenen Güter in der Vogtei Grüsen. 1308 erwirbt Haina alle Güter von denen von Westerburg, die 1374 auch auf die Lehnshoheit über das Münchhäuser Gut verzichten, das Haina von den Münchhausen zu Frankberg erworben hat.
Zehntverhältnisse
1057 verzichtet der Mainzer Erzbischof zugunsten des Abts von Hersfeld auf die von der Mainzer Kirche geforderten Sendabgaben von den Zehnten u.a. in Grüsen.
Kirche und Religion
Ortskirchen
- 1057: Pfarrkirche (aecclesia) erschließbar.
- 1341: ecclesia (Klosterarchive 6: Kloster Haina, Bd. 2,1, S. 197, Nr. 509)
- Der Kirchbau von 1494 ersetzt einen spätgotischen Vorgängerbau. 1718 durch Chor erweitert. Heutiger klassizistischer Saalbau 1833-1837 errichtet.
Pfarrzugehörigkeit
1577 sind Bockendorf, Halgehausen, Herbelhausen, Lehnhausen, Mohnhausen, Nieder-, Oberholzhausen, Römerhausen, Sehlen eingepfarrt, 1613 kommt Ellnrode (vorher Klosteramt Haina) hinzu. Mohnhausen ist später (spätestens seit 1835 und nach 1950) Filialort, zu dem Halgehausen, Römershausen und Oberholzhausen
Patronat
1057: Kirche gehört zur Hersfeld 1341: Haina zahlt Wachzins dem Domkapitel zu Mainz für die Inkorporation der Pfarreien Grüßen und Löhlbach (Klosterarchive 6: Kloster Haina, Bd. 2,1, S.197, Nr. 509) 1577: Klosterverwaltung besetzt Pfarrei
Diakonische Einrichtungen
22.07.1909 eine Schwester, Krankenpflege, Vereinsbetreuung, Gemeindearbeit Sardemann, Geschichte des hessischen Diakonissenhauses zu Cassel, S. 284; Diakoniestation bis 1992 (Landeskirchliches Archiv Kassel, Findbuch G 2.6. Kurhessisches Diakonissenhaus)
Bekenntniswechsel
Erster evangelischer Pfarrer: Adam Emmerich 1527-1556, ehemaliger katholischer Pfarrer und Mönch im Kloster Haina
Reformierter Bekenntniswechsel: 1609, 1624 wieder lutherisch.
Kirchliche Mittelbehörden
15. Jahrhundert: Erzbistum Mainz, Archidiakonat St. Stephan, Dekanat Christenberg, Sendbezirk Grüßen
Juden
Keine dauerhaft eigenständige Gemeinde in Grüsen; gehört zu Gemünden (Wohra) Statistik: 1835: 24; 1861: 34; 1905: 44 Juden 1770 und 1785 jüdische Geburten im Ort verzeichnet; Schutzjudenfamilien Synagoge: 1883 Synagogenneubau, damit eigene Gottesdienste im Ort; 1895 Trennung von Gemünden, Grüsen wird damit eigenständige Gemeinde. 9 Steuerzahler im Ort; 10. Januar 1896 Statut der Synagogen-Gemeinde Grüsen erlassen Berufe: Landwirtschaft, Viehhandel, Manufakturwarenhandel; einzige Gastwirtschaft des Ortes von Juden betrieben 1933: Grüsen wieder an Gemünden angeschlossen; die meisten Bewohner sind in die USA oder nach Palästina ausgewandert; 7 Personen wurden deportiert und sind umgekommen. Friedhof: eigener jüdischer Friedhof in Grüsen, an der Straße Oberdorf gelegen, neben dem allgemeinen Friedhof; Erstbelegung 1918.
Kultur
Schulen
1910 einklassige Volksschule
Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles)
Wirtschaft
Mittelpunktfunktion
Zum Sendbezirk Grüßen gehörten im 15. Jahrhundert: Albshausen, Allendorf, Bockendorf, Dainrode, Dodenhausen, Geismar, Haddenberg, die Mühle in Halgehausen, Halsdorf, Hancüls, Heimbach, Herbelhausen, Herwin, Herzhausen, Hettingshausen, Holzbach, Langendorf, Lehnhausen, Lischeid, Löhlbach, Mohnhausen, Niederholzhausen, Oberholzhausen, Römershausen, Schiffelbach, Schönau, Sebbeterode, Sehlen, Treisbach, Willingshausen, Winterscheid, Wohra. Hierher zu rechnen ist ferner Battenhausen, das zur Abfassungszeit des Registers wüst lag, sowie Ellnrode, Hüttenrode und möglicherweise Altenhaina und Kirschgarten, die als Hainaer Klosterhöfe zu fehlen scheinen.
Mühlen
1363 wird Mühlenstätte oberhalb des Dorfes erwähnt (Klosterarchive 6: Kloster Haina, Bd. 2,1, S.268, Nr. 682)
Nachweise
Literatur
- Denkmaltopographie Landkreis Waldeck-Frankenberg, Bd. II, S. 495-499
- Weiss, Gerichtsverfassung in Oberhessen, S. 279-282
- Schunder, Die von Loewenstein, Bd. 1: Darstellung, S. 111
- Historisches Ortslexikon Kurhessen, S. 186
- Classen, Kirchliche Organisation, S.138-139
- Hütteroth, althessische Pfarrer, S. 502
- Diehl, Pfarrer- und Schulmeisterbuch für die acquirierten Lande und die verlorenen Gebiete, S. 344
- Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen: Anfang, Untergang, Neubeginn, Bd. 1, S. 299
Siehe auch
Weitere Angebote in LAGIS
Orte
- Hessische Flurnamen
- Gerichtsstätten in Hessen
- Historische Kartenwerke
- Jüdische Friedhöfe
- Synagogen in Hessen
- Topografische Karten
Personen
Quellen und Materialien
Nachnutzung
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Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Grüsen, Waldeck-Frankenberg“, in: Historisches Ortslexikon <https://lagis.hessen.de/de/orte/historisches-ortslexikon/alle-eintraege/1151_gruesen> (aufgerufen am 26.11.2025)
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