
Basisdaten
Die kleine gleichnamige Burganlage befand sich auf der steilen Bergkuppe des Weißen Steins, 1,5 km nordnordwestlich von Wehrda. Die chronikalisch für das Jahr 1247 erwähnte Zerstörung der Burg durch Sophie von Brabant deckt sich nicht mit dem archäologischen Befund, wonach die Anlage Ende des 11./ Anfang des 12. Jahrhunderts aufgelassen wurde. Vermutlich existierte die Burg schon im 8./9. Jahrhundert und wurde bis zum Ende des 11. Jahrhunderts mehrfach aus- und umgebaut. Da insgesamt keine urkundlichen Informationen zur Befestigung auf dem Weißen Stein vorliegen, bleiben Bauherr und Errichtungszeitpunkt ungewiss. Möglicherweise handelte es sich bei der Burg aber um den für das Frühmittelalter typischen Sitz einer niederadligen Familie. Ende des 11. Jahrhunderts bestand die Burganlage in erster Linie aus einem fünfeckigen Turm, einem zweiräumigen Wohnbau und der Ringmauer. Bis zu den im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach auf dem Weißen Stein durchgeführten Ausgrabungen hatten sich von der Burg keine sichtbaren Baureste erhalten. Heute sind die Grundmauern des fünfeckigen Wohnturms freigelegt.
Historische Namensformen
- Wißsensteyn (1247, nach Abschrift vom Anfang des 16. Jahrhunderts) [Diemar, Wigand Gerstenberg, S. 214]
- Weissenstein (1248) [Landgrafen-Regesten online Nr. 8508]
- Weißer Stein (Flurname)
Ortstyp
Burg
Bezeichnung der Siedlung
- Schloss (1248) [Landgrafen-Regesten online Nr. 8508]
Lagebezug
4 km nördlich von Marburg gelegen
Lage
Auf einer steilen, bewaldeten und nur von Nordwesten her breit zugänglichen Bergkuppe aus weißem Buntsandstein über dem Lahntal befinden sich die Reste einer kleinen Höhenburg mit vorgelagertem, mehrstufigem Wallsystem. 1 km oberhalb des Weißen Steins führte die frühe Weinstraße aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Paderborn/Bremen vorüber.
Geschichte
Ersterwähnung
1247
Laufzeit
8./9. Jahrhundert–11./12. Jahrhundert
Besitzgeschichte
Abgang
Für das Jahr 1248 wird vom Chronisten Wigand Gerstenberg erwähnt, dass Herzogin Sophie von Brabant die Burg auf dem Weißen Stein habe zerstören lassen. Dies widerspricht allerdings dem archäologischen Befund, der auf eine Auflassung der Burg am Ende des 11. bzw. am Anfang des 12. Jahrhundert schließen lässt. Anzeichen für einen Großbrand auf der Burg um 1100 finden sich im rechteckigen Turm und im Wohngebäude.
Bau und Baugeschichte
Baugeschichte
Für die Bergkuppe des Weißen Steins ist schon eine Besiedlung in der Latènezeit erwiesen. Die mehrfach umgebaute Turmburg existierte vielleicht schon im späten 8., sicher aber im 9. und 10. Jahrhundert. Es lassen sich drei verschiedene Bauphasen nachweisen. Den ältesten Baubestand stellen die Reste einer in Lehm gesetzten Mauer im nordwestlichen Bereich der Anlage dar (1. Bauphase), welche im 10. Jahrhundert abgetragen und durch eine rechteckige Mauer ersetzt wurde, die einen ebenfalls rechteckigen Turm einschloss (2. Bauphase). In der dritten Baupgase (10./11. Jahrhundert) erfolgte der Ausbau des Turmes durch einen dreieckigen nach Nordwesten gerichteten (Turm-)Anbau (5-Eck-Turm) unter Abtragung der Mauer. Der Innenbereich der Burg wurde durch eine allseitig nach außen versetzte mehreckige Ringmauer erweitert, der ein mehrstufiges Wallsystem vorgelagert war. Im südöstlichen Innenbereich der Mauer, unmittelbar an diese angesetzt, liegen die Reste zweier kleiner Gebäude. Nach Ausweis der reichen Keramikfunde ist mit einer Aufgabe der Burg, deren Turm durch Brand vernichtet wurde, im 10., spätestens aber Anfang des 11. Jahrhundert zu rechnen. Nach einer im 14. Jahrhundert wurzelnden historischen Tradition wurde die Anlage 1247 durch Sophie von Brabant zerstört.
Baubeschreibung
Insgesamt umschloss die Wallanlage auf dem Weißen Stein eine Fläche von etwa 620 m². Im 8./9. Jahrhundert bestand die Burganlage wahrscheinlich aus einem kleinen viereckigen Steingebäude, das durch einen Brand vernichtet wurde. Im 10. Jahrhundert stand auf der Bergkuppe ein Wohnturm auf rechteckigem Grundriss, der von einer Schutzmauer umgeben war. Während des 10./11. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau des Turmes in einen fünfeckigen Bergfried. Zur gleichen Zeit wurde die ältere Schutzmauer niedergerissen und durch einen polygonale Ringmauer ersetzt, in deren östlichen Abschnitt wohl das Tor integriert war. Am Osthang errichtete man zudem ein zweiräumiges Wohngebäude. An den beiden Hauptangriffsseiten im Norden und Westen war die Burganlage zusätzlich durch ein Wall- Grabensystem geschützt, dessen Ursprünge möglicherweise schon in die Eisenzeit zurückreichen. Zum Zeitpunkt ihrer vermutlichen Auflassung/Zerstörung um das Jahr 1200 setzte sich die Burg auf dem Weißen Stein aus dem fünfeckigen Turm, dem zweiräumigen Wohngebäude und der polygonalen Ringmauer zusammen.
Erhaltungszustand
Bis zu den mehrfach auf dem Weißen Stein durchgeführten Ausgrabungen im 19. und 20. Jahrhundert hatten sich von der Burganlage keine sichtbaren Baureste erhalten. Dies hing vor allem auch damit zusammen, dass die Burgruine bis in die Neuzeit hinein zur Beschaffung von Baumaterial genutzt worden war.
Grabungen und Funde
Während der Ausgrabungen des Jahres 1884/1885 wurden im Innern des Bergfrieds verbrannte Balkenreste mit Nägeln, ein Eisenkeil und mehrere Spinnwirtel freigelegt. Darüber hinaus entdeckte man am Osthang des Burgplateaus ein aus zwei Räumen bestehendes Wohngebäude, in dem Pfeilspitzen, Messer, Scherben, Tierknochen, Pferdeknebel, Steigeisen und Reste roten bemalten Wandputzes gefunden wurden. 1956/1957 legte man auf dem Plateau des Weißen Steins u. a. Messer, Nägel, Hufeisen, eine vierkantige Geschossspitze und Pfeilspitzen frei. Bei den 1985 erfolgten Ausgrabungsarbeiten wurden zwei Münzen aus dem ersten Viertel des 11. Jahrhunderts sowie weitere Geschossspitzen, ein Schlüssel/Riegel, ein kleiner Meißel sowie zwei Eisenmesser und ein halbes Hufeisen entdeckt. Wahrend der Ausgrabungskampagne 1987/88 fanden sich eine eiserne Zange, ein Spitzmeißel, ein flacher Eisenkeil, vier Hufeisen und Hufeisenfragmente, eine eiserne Geschossspitze, ein beinernes Flötenmundstück sowie ein Knochenplättchen mit Kreispunktverzierung.
Burgtyp
Bautyp
Höhenburg; Gipfelburg
Nachweise
Literatur
- Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I, S. 917
- Historisches Ortslexikon Marburg, S. 333
- Christa Meiborg, Burg Weißenstein, in Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 39 (1989), S. 381-407
- Uenze, Der Weißenstein bei Wehrda, in: Hessenland 4 (1957), Folge 23
- Immel, Wehrda, Weinstraße, Burg Weißenstein, ²1976, S. 16-39
- Gensen, Christenberg, Burgwald und Amöneburger Becken, in: Schlesinger (Hrsg.), Althessen im Frankenreich, 1975, S. 162-164
- Christa Meiborg, Burg Weißenstein bei Marburg-Wehrda, 1994
EBIDAT
7836
Siehe auch
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Orte
Personen
Quellen und Materialien
Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
„Burg Weißenstein“, in: Burgen, Schlösser, Herrenhäuser <https://lagis.hessen.de/de/orte/burgen-schloesser-herrenhaeuser/alle-eintraege/9388_burg-weissenstein> (aufgerufen am 25.11.2025)
Kurzform der URL für Druckwerke
https://lagis.hessen.de/resolve/de/bg/9388
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